Sonntag, Januar 07, 2007

Meine Pauschalreisenentjungferung

Soweit ich mich zurückerinnern kann, waren meine Urlaube immer selbst organisiert. Seien es die Schulferien in unserem Haus in der Eifel, seien es die Reisen zur Freundin meiner Mutter nach New York, die Ferien mit meinem Cousin oder die etwas entfernteren Touren der letzten Jahre zu den Freunden, die es über den Globus verteilt hat: Nie habe ich mich darauf verlassen müssen, dass irgendein Reiseveranstalter mich in ein Flugzeug steckt, mich in ein Hotel verfrachtet und mir dort dreimal am Tag Lebensmittel in den Mund schiebt.


Nur ein einziges Mal, vor mittlerweile gut fünf Jahren, habe ich eine Form des Urlaubs gewählt, die für viele, viele Mitmenschen das normalste der Welt ist: Eine Pauschalreise.


Ende September 2001 war ich fertig mit der Welt. Mein dreißigster Geburtstag stand kurz vor der Tür, die westliche Welt wetzte die Waffen, um in Afghanistan nach den Verursachern von 9/11 zu suchen, der Arbeitgeber begann den langsamen aber stetigen Weg in die wirtschaftliche Misere und mein Tinnitus fing an, mich richtig zu ärgern. Ich hatte noch zehn Tage Urlaub und das dringende Gefühl, eine kurze Auszeit zu brauchen.


Im Reisebüro an der Fuhlsbüttler Straße erkundigte ich mich nach Last-Minute-Reisen. Die Verkäuferin zeigte auf die Wand voller Kataloge hinter sich, lächelte siegessicher und stellte zwei Fragen: Wohin soll's gehen und wieviele Personen? Wohin war mir weitgehend egal, für eine Person bitte. Als ob das Single-Leben nicht schon an sich ausreichend von Härte geprägt ist, verwandelte sich ihre Miene in Mitleid, als sie sagte, dass sie mir, nun, nicht mehr ganz soviel anbieten könne. Genauer gesagt hatte sie noch zwei Angebote für den Zeitraum.


Eine eher für Jugendliche ausgelegte Ferienanlage auf Zypern sprach mich nicht so sehr an, das Hotel in Lagos an der Algarve schon eher. Da wollte ich sowieso mal hin. Allein zu reisen machte mir nichts aus, in einem solchen Urlaub lernt man ja sicher ein paar Leute kennen, mit denen man etwas unternehmen kann.


Etwas ungewohnt war dann das Gutscheinheft, das ich einige Tage später per Post erhielt. Kein Flugticket? Nur so ein Teilnahmebestätigungswisch? Na gut, solange die mich mitnehmen. Aber was, zwei Stunden vorher da sein? Ach Hilfe, ja, ein Charterflug.


Bei der Ankunft in Faro war ich etwas überfordert: Diese ganzen Reisebusse, die auf darauf warteten, dass sich die Touristen auf sie verteilen. Bislang haben mich immer Freunde vom Flughafen abgeholt, oder ich bin mit öfffentlichen Verkehrrsmitteln weitergereist. Ob der Fahrer weiß, dass er mich zu meinem Hotel bringen muss? Und woran erkenne ich das Hotel?


Das Hotel hat mich im ersten Moment doch etwas geschockt. Die Ausstattung entsprach nicht ganz dem, was ich von den Business-Hotels gewohnt war, die ich bisher kennengelernt hatte. Und sonst hatte ich ja noch nie meine Ferien in einem Hotel verbracht. Kein Fernseher? Hmpf. Eine total durchgelegene Matratze? Und der seitliche Meerblick war schon sehr seitlich. Alles in allem aber nichts, woran ich mich nicht gewöhnen konnte.


Ganz, ganz furchtbar hingegen war die Erkenntnis, dass meine grundlegende Annahme falsch war, hier irgendwelche Leute kennenzulernen, um nicht zehn Tage allein herumlaufen zu müssen. Die Hotelgäste bestanden zum größten Teil aus Familien mit Kindern und einigen Pärchen, die ungefähr in meinem Alter waren. Irgendwelche anderen allein Reisenden? Fehlanzeige.


Wenn man wirklich wissen will, wie es sich anfühlt, wenn andere Leute einen für einen Aussätzigen seltsamen Vogel halten, muss man nur morgens allein in den Speiseraum eines solchen Ferienhotels kommen. "Seltsamer Vogel" ist noch freundlich augedrückt. Offenes Misstrauen trifft die Stimmung eher. Da war ich als Pauschalreisen-Newbie den Profis im Gewerbe natürlich hoffnungslos ausgeliefert: Was komme ich auch auf die blöde Idee, allein Urlaub zu machen. Da muss man ja entweder einen an der Klatsche haben oder aber eine fiese, ansteckende Krankheit. Solche oder ähnliche Gedanken unterstelle ich den Mitreisenden, denn ich kann mich nicht erinnern, dass mich jemand mal angelächelt hat.


Habe mir dann nach zwei Tagen doch ein Auto gemietet, um so wenig Zeit wie möglich in dem Hotel zu verbringen. Dabei festgestellt, dass die Algarve ein wunderschöner Landstrich ist. Wäre nett gewesen, wenn ich mich auch mal mit jemanden hätte unterhalten können. Die einzigen Konversationen dieses Urlaubs waren tägliche Begrüßung und Verabschiedung an der Rezeption, mal eine halbe Stunde vor dem Fernseher im Gemeinschaftsraum mit einem Engländer (der meinte, wir Deutschen sollen uns mit dem Zweiten Weltkrieg nicht so anstellen, das sei ein Aussetzer gewesen, ansonsten seien wir doch prima drauf) und das schottische Ehepaar, an dessen Tisch ich mich am letzten Abend im kleinen Restaurant um die Ecke gesetzt habe.


Gerettet hat mir die Zeit K., die ich einen Tag in einem Nachbarort besucht habe, wo ihre Eltern eine Ferienwohnung haben. Da hatte ich endlich mal jemanden, um ein paar Reiseerfahrungen auszutauschen.


Fazit: So einen Urlaub nie, nie, nie wieder allein machen. Dann lieber Backpacking irgendwo, wo viele andere Leute allein unterwegs sind oder sich zumindest nicht so komplett einigeln in ihrer Zweisamkeit und etwas aufgeschlossener sind.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Bravo, junger Mann, bravo! Sitze übrigens grad mit Ihrem Bruder auf dem Sofa und referate. Oder so. Naja. Bravo nochmal.