Ähm, Sie da, Frau Lu, Sie haben da so einen Stock. Darf ich den gerade mal... danke!
Kuriosum #1: Türen und Schlösser
Ich habe ein gutes Erinnerungsvermögen für das haptische und akustische Verhalten von Türen. Die Festigkeit, mit der man eine Tür ins Schloss fallen lassen muss, das Geräusch, das die Tür dabei macht, oder das Gleiten des Schlüssels ins Schloss -- all das habe ich noch von sehr vielen Türen, die ich in meinem Leben durchschritt, in Erinnerung. Egal, ob das die Haustür des Elternhauses in Düsseldorf war (erstaunlich kurzer Schließweg, ein schnalzendes Geräusch, ein leichter Widerstand beim Betätigen des Schließhebels von innen), die Badezimmertür der Freundin der Mutter in New York (amerikanischer Knauf, leichtes Spiel in der Drehung, erfrischendes Schnappen der Falle beim Entschließen), oder die Tür meiner ersten Wohnung (eine von außen verschließbare Gartentür, etwas schwergängig, die Klinke innen zum Hochklappen reichte recht nah ans Glas heran -- nichts für große Hände): Die Eigenheiten sind mir sehr präsent.
Kuriosum #2: Zu faul zum Bücken
So ungelenkig ich in der Hüfte bin (die Yogalehrerin kann ein Lied davon singen), so gelenkig sind meine Zehen. Das nutze ich häufig, wenn ich etwas aufheben will, das direkt vor mir liegt und sich dafür eignet, mit den Zehen gegriffen zu werden. Dann bücke ich mich nicht, sondern greife den Gegenstand mit den Zehen und hebe ihn hoch.
Kuriosum #3: Aber ich habe doch auch eine Seele
Wie Lu und ich fest gestellt haben, ist dies ein geteilter Tick. Ich bin der Auffassung, dass alle Gegenstände, eine kleine Seele haben oder entwickeln, wenn sie nur lange genug im Besitz einer liebenden Person waren. Das macht es unheimlich schwer, Dinge, die ich lieb gewonnen habe oder die mal nützlich waren, einfach wegzuwerfen. Das können alte Computer sein oder mein altgedienter Brotkorb in Form einer Ente (der auf den vornehmen Namen "Brotente" hört -- genauso franzöisch ausgesprochen, wie die Entente). Ansonsten kriegen die Dinge aber nur selten Namen. Es reicht, wenn sie kleine Persönlichkeiten sind.
Kuriosum #4: U-Bahn Seismograph
Auch wenn mir häufiger mal eine gewisse Sensibilität für feine Schwingungen fehlt: Ich bemerke üblicherweise U-Bahnen, die unter mir herfahren. Es gibt ein paar Orte in der Stadt (das Restaurant Diep-Luu in der Rosenstraße [U2], das Heiligengeistfeld [U3] oder die Sprachschule in der Rothenbaumchaussee [U1]), wo ich ziemlich genau spüre, wenn eine Bahn den Tunnel unter mir passiert. Das ist besonders bei dem Restaurant bemerkenswert, weil (a) der Tunnel dort sehr tief ist und (b) ich häufig schon Kollegen gefragt habe, ob sie auch gerade dieses Zittern im Erdreich spüren. Letzteres konnte bislang noch niemand bejahen.
Kuriosum #5: Die Fahrplanauskunft
Noch etwas zu U-Bahnen, bzw. öffentlichen Verkehrsmitteln: Ich habe ein ziemlich gutes Gedächtnis für Fahrpläne. In einer neuen Stadt erkenne ich schnell Systematiken in Liniennetzen und Fahrplänen. Der ehemalige Kollege E. vermutete gar einmal, dass ich die Fahrpanauskunft des HVV sei und dass immer, wenn jemand eine Verbindung sucht, mein Telefon klingele (was auch erklärt, dass das Ding früher mal sehr langsam war). Als die damalige Freundin in Bonn mal direkt an der Victoriabrücke wohnte und man hervorragenden Blick auf die Gleise hatte, verbot sie mir mal, bei jedem vorbeifahrenden IC auf die Uhr zu schauen und dadurch festzustellen, ob er pünktlich war. Verdammte Zwangshandlung. Unnötig, zu erwähnen, dass Zugvögel mit Joachim Król einer meiner ganz, ganz großen Lieblingsfilme ist.
Kuriosum #6 (etwas im Abflauen): Das Telefonbuch und der Kalender
Früher konnte ich mir jede Telefonnummer merken, wenn ich sie auch nur wenige Male gewählt hatte. Das geht heute nicht mehr so gut, da man ja doch die meisten Nummern nur einmal wählt -- beim Eingeben in das Telefonbuch des Mobilgeräts. Schade eigentlich. Das war sehr praktisch. Natürlich weiß ich auch noch alle meine alten Telefonnummern auswendig: 0211/451421, 0211/453610, 0541/708598, 0541/982944, 0179/2403750, 0160/7576614. Bitte sehr.
Leider auch etwas im Abflauen: Ein nahezu perfektes Gedächtnis für Daten. Einige der alten Freunde spielen auch heute gerne noch das "Was hast Du am 12.11.1989 gemacht?"-Spiel mit mir. Selbst wenn ich es nicht auf den Tag genau weiß, kann ich einige Schlüsselereignisse zu einem plus/minus Ein Monats-Zeitraum nennen. Habe letztens fest gestellt, dass ich meine Silvester-Erlebnisse bis 1983 zurück nennen kann.
Kuriosum #7 (Bonus-Kuriosum): Und wer bitte waren Sie? Ach, mein Bruder.
So gut ich mir Telefonnummern, Daten und Fahrpläne merken kann, so schlecht ist mein Personengedächtnis. Ich sage immer, dass ich meine Schwester auf der Straße nicht wiedererkennen würde, wenn sie eine andere Frisur hätte. Insgeheim hielt ich das immer für übertrieben, man muss ja auch mit den schlechten Eigenschaften kokettieren. Jedoch erkannte ich vor einer Woche meinen Bruder tatsächlich nicht, als er mir ein Musikvideo zeigte, in dem er mitspielt. Hätte er es mir nicht gesagt, hätte ich ihn auch beim zweiten Mal nicht erkannt. Dumm nur, dass diese Defizienz gerne auch als Arroganz ausgelegt werden kann. Telefonnummern sind da nachsichtiger. Meine größte Bewunderung für den Freund B., der durch die Stadt läuft, mich auf einen Passanten hinweist und mir sagt, dass dieser vor knapp 25 Jahren in meiner Grundschule war.
Da ich mir diesen Stock nur kurz ausgeborgt habe, bekommt Lu ihn natürlich zurück. Wer ihn gerne haben möchte, kann ihn auf der Miagolare abholen.