Er: Entschuldigen Sie!
Ich: Ja?
Er: Haben Sie Spaß an Ihrer Arbeit?
So begann der kurze Dialog zwischen dem Bettelpunk, der gestern abend in einem Hauseingang in der Ferdinandstraße lag, und mir. Er lag dort mit blauem, geschwollenen Auge, etwas verranzt aussehend, mit seinem Hund auf einem dünnen Schlafsack und rauchte eine Selbstgedrehte.
Ich blieb kurz stehen, und überlegte, was ich ihm jetzt antworten soll. Normalerweise gehe ich bei solchen Situationen mehr oder weniger wortlos weiter. Doch ich war angenehm entspannt nach einer Yoga-Stunde und der Punk wirkte überhaupt nicht betrunken, stoned oder sonst etwas. Er sprach mit klarer Stimme und seine Frage verriet Interesse. Mein Bewerten der Situation dauerte noch an, daher fragte er nach:
Er: Ich meine, ziehen Sie da etwas für sich raus? Gibt Ihnen ihre Arbeit etwas?
Ich: Ja, doch, schon. Natürlich gibt's auch bessere und schlechtere Tage, aber grundsätzlich macht mir das Spaß.
Das Gespräch begann, mich zu interessieren.
Er: Hm, also ich konnte mich da gar nicht dran gewöhnen. Ich kann mir nicht vorstellen zu arbeiten.
Ich: Wo haben Sie denn gearbeitet?
Er: Auf dem Bau.
Ich: OK, das kann ich mir auch nicht vorstellen.
Er: So ein Büro-Job wär aber auch nichts für mich, den ganzen drinnen sitzen.
Ich hätte es direkt aufschreiben sollen, denn als nächstes kamen wir drauf, wie es ist, obdachlos zu sein. Er schien ganz zufrieden. Ich sagte ihm, dass ich mir überhaupt nicht vorstellen könnte, auf der Straße zu leben. Och, das sei gar nicht so schlimm. Er habe seinen Hund, das sei sein bester Freund. Im Winter ist es kalt, aber es gebe ja die Übergangsheime. Da hält er es aber auch nicht lange aus. Manchmal komme auch die Polizei und sammele einen ein, wenn's zu kalt ist.
Dann kam der Punkt, an dem ich entweder nach Hause gehe oder aber zwei Flaschen Bier kaufe und mich weiter unterhalte. Habe mich für's nach Hause gehen entschieden. Wir haben uns gegenseitig einen schönen Abend gewünscht (zu einem "schönen Feierabend" hat mein Mumm nicht gereicht...).
Trotzdem fand ich die Situation schon etwas skurril. Zum einen, weil der Bettelpunk mich siezte und ich ihn natürlich zurückgesiezt habe. Zum anderen weil es ein Gespräch zwischen zwei Leuten war, die beide wissen, dass ihr Leben nicht gerade ideal ist, die aber im Großen und Ganzen recht zufrieden sind. Drittens beschränken sich meine Gespräche mit Bettelpunks meistens auf ein "Eh, Alter, ich find Dich und Dein Leben total scheiße, aber gib mir mal zwei Euro für mein Hund." und meiner Antwort "Nö.". Das war gestern ganz anders. War eher wie ein "Was machen Sie so?" Partygespräch -- nur halt zwischen einem Bettelpunk im Hauseingang und einem Softwareentwickler auf dem Weg nach Hause.