Freitag, November 10, 2006

Heute mittag, kurz vor dem Aussteigen aus dem InterCity, als ich etwas hektisch meine Sachen aufsammelte, lag das Buch, das ich zurzeit lese, auf dem Sitz. Philipp Roths "The Plot Against America" ist ein sehr spannender Roman. Es sieht jedoch zugegebenermaßen ein wenig reißerisch aus. Der Titel prangt in Versalien auf dem Cover, das zentrale Bildmotiv ist eine durch Prägung hervorgehobene Briefmarke. Auf die faksimilierte 1 Cent Marke mit einer Flusslandschaft aus dem Yosemite Park ist, und das lässt das Buch auffallen, ein fettes Hakenkreuz gedruckt.


Die Jurastudentin aus Osnabrück, die neben mir saß, guckt sehr offensichtlich auf das Buch, doch bei ihrem Blick bin ich nicht sicher, ob sie den Titel interessant findet, oder sich fragt, ob der kurzhaarige(!!!) Typ neben ihr einen außergewöhnlich zweifelhaften Literaturgeschmack hat.


Das Buch ist nicht ganz so übel, wie es aussieht.

versuche ich die Situation zu retten. Warum kann es mir in solchen Situationen nicht mal egal sein, was andere von mir denken? Warum muss ich meine Literaturauswahl vor wildfremden Menschen rechtfertigen?


Berechtigte Frage, ist aber leicht zu beantworten, indem ich kurz von einem traumatischen Erlebnis berichte, das ich ca. 1990 in der Stadtbücherei in Düsseldorf hatte. Ich stand an der Ausleihe und legte dem Bibliotheksmädchen das Buch hin, das ich gedachte auszuleihen: Frederik Forsyths "The Odessa File". Ob das "ss" in Odessa als SS-Runen gesetzt war, weiß ich nicht mehr. Auf jeden Fall zierte diesen Buchdeckel ebenfalls ein Hakenkreuz.


Dann fielen die Worte, die sich in mein Hirn eingebrannt haben, die ich mein Lebtag nicht vergessen werde, die mich auch heute noch darauf achten lassen, im richtigen Moment das richtige Buch dabei zu haben. Denn -- das habe ich in diesem Moment mit der Härte eines 16-Tonnen-Gewichts gelernt -- man wird nicht zuletzt aufgrund seines Literaturgeschmacks mit Sympathien versehen


Mit dem Ton echter Enttäuschung sagte die junge Frau:


Na immerhin ist es auf Englisch.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ich wüßte jetzt nur zu gerne, ob die Dame entweder meinte: "Wenigstens nehmen Sie en passant ein wenig Kultur zu sich." oder "Na, wenigstens werden Sie Simpel nicht viel davon verstehen."